Wenn Belastung zum Dauerzustand wird – Psychische Erschöpfung in der psychosozialen Betreuung

In einer Welt, die sich gefühlt täglich schneller dreht, in der eine Krise die nächste ablöst, geraten viele Menschen an ihre Grenzen – oft ohne es sofort zu bemerken. Für unsere Klient:innen, die ohnehin mit psychischen Erkrankungen, Traumafolgestörungen oder tiefgreifenden Lebenskrisen leben, wird diese Dauerbelastung zur zusätzlichen Herausforderung. Doch auch wir als Fachpersonen in der psychosozialen Spitex sind nicht immun.

Die stille Erschöpfung: Mehr als nur „ein bisschen müde“

Was viele zunächst als „Stress“ oder „etwas viel gerade“ abtun, entwickelt sich bei genauerem Hinsehen zu einem chronischen Zustand der Überforderung. Menschen funktionieren – irgendwie. Aber innerlich sind sie ausgelaugt. Die Erschöpfung geht tiefer als Müdigkeit:

• Konzentration lässt nach

• Emotionen werden flach oder überwältigend

• Beziehungen fühlen sich anstrengend an

• Selbst einfache Aufgaben kosten enorme Kraft

Für viele unserer Klient:innen ist dieser Zustand bekannt – oft begleitet er sie schon lange. Doch in Zeiten gesellschaftlicher Unsicherheit, wirtschaftlicher Sorgen oder politischer Spannungen verschärfen sich diese inneren Zustände.

Wenn auch Fachpersonen an ihre Grenzen stoßen

Auch wir als Fachpersonen geraten zunehmend in Situationen, die herausfordernd sind:

• Hohe Fallzahlen

• Emotionale Nähe zu belasteten Klient:innen

• Eigene Sorgen im privaten oder gesellschaftlichen Kontext

Die Gefahr: Wir verlieren die Verbindung zu uns selbst, bevor wir es merken. Und gleichzeitig spüren wir den Anspruch, für andere stabil, stark und verfügbar zu bleiben.

Was hilft Klient:innen – und uns selbst?

🧭 1. Namen geben, was ist

Allein die Erkenntnis, dass man erschöpft ist, kann entlastend sein. Wenn Klient:innen sich in diesem Zustand wiedererkennen, können wir gemeinsam schauen: Was raubt Energie? Was gibt Halt?

🛠️ 2. Ressourcen wieder zugänglich machen

Nicht jeder braucht sofort eine große Lösung. Manchmal reichen kleine Schritte:

• Struktur im Alltag

• Rückzugspausen ohne schlechtes Gewissen

• Erinnerung an frühere Bewältigungsstrategien

🤝 3. Verbindung statt Funktionieren

Wir müssen nicht perfekt funktionieren – weder unsere Klient:innen noch wir als Fachkräfte. Wenn wir Räume schaffen, in denen Echtheit und Mitgefühl Platz haben, entsteht Entlastung.

🧘 4. Selbstfürsorge als Haltung, nicht als Pflichtübung

Nicht noch eine Aufgabe auf der To-do-Liste. Sondern ein Grundverständnis: Ich darf auf mich achten. Auch im Beruf. Auch wenn es andere gerade schwer haben.

Fazit: Mensch bleiben in überfordernden Zeiten

Psychische Erschöpfung ist kein individuelles Versagen, sondern oft Ausdruck einer Welt, die kaum mehr zur Ruhe kommt. Als psychosoziale Fachpersonen können wir viel bewirken – aber nur, wenn wir uns selbst dabei nicht verlieren.

Indem wir ehrlich hinschauen, Belastung benennen und Räume für echte Entlastung schaffen, können wir helfen, dass Dauerbelastung nicht zur neuen Normalität wird – weder für unsere Klient:innen noch für uns selbst.

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