Worte finden, wo keine sind – Zuhören und Nachfragen mit dem Neuroaffektiven Beziehungsmodell (NARM)
Worte finden, wo keine sind
Manchmal fehlen einfach die Worte. Gerade Menschen mit schwierigen Erfahrungen, Trauma oder komplexen psychischen Belastungen erleben oft, dass sie ihre Gefühle und inneren Zustände nicht klar in Worte fassen können. Dann braucht es ein Gegenüber, das mehr tut, als nur zuzuhören – es braucht jemanden, der Sicherheit vermittelt und gezielt nachfragt, ohne zu bedrängen.
Genau hier bietet das Neuroaffektive Beziehungsmodell (NARM) wertvolle Unterstützung.
Warum es manchmal unmöglich scheint, Gefühle auszudrücken
Nach NARM ist Trauma oder tiefe psychische Belastung oft verbunden mit Zuständen innerer Fragmentierung und Desorientierung. Betroffene fühlen sich häufig abgeschnitten von sich selbst und ihrer inneren Erfahrung. In solchen Momenten wird es fast unmöglich, Gefühle in Worte zu fassen. Das bedeutet jedoch nicht, dass keine Gefühle vorhanden sind – vielmehr fehlt ein sicherer Zugang dazu.
Wirklich zuhören: Präsenz schafft Sicherheit
In der NARM-Arbeit geht es darum, einen sicheren, offenen und urteilsfreien Raum zu schaffen, in dem Klient:innen ihr eigenes Tempo finden dürfen. Zuhören heißt hier nicht nur, Worte aufzunehmen, sondern auch wahrzunehmen, was nicht gesagt wird:
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Was sagt die Körpersprache?
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Wie ist der Tonfall?
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Welche Emotionen sind vielleicht spürbar, ohne ausgesprochen zu sein?
NARM unterstützt das Gegenüber dabei, innerlich präsent und aufmerksam zu bleiben – ohne zu bewerten oder vorschnell Schlüsse zu ziehen.
Hilfreich nachfragen – Sicherheit geben statt Druck erzeugen
Nachfragen im NARM bedeutet, behutsam und offen Raum zu geben, statt Antworten zu erzwingen. Gute Fragen im Sinne von NARM könnten sein:
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„Wie ist es gerade für dich, wenn du versuchst, Worte dafür zu finden?“
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„Was bemerkst du gerade in deinem Körper, während du versuchst, mir zu erzählen, was dich bewegt?“
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„Gibt es vielleicht ein Bild oder eine Empfindung, die gerade stärker ist als Worte?“
Diese Fragen helfen Klient:innen, ihre Aufmerksamkeit nach innen zu lenken und wieder Kontakt zu sich selbst aufzubauen. Sie vermitteln: „Ich bin hier, ich höre zu, ich verstehe dich vielleicht nicht sofort, aber ich bleibe bei dir.“
Weniger ist oft mehr
Im Sinne von NARM gilt: Manchmal ist weniger mehr. Zu viele Fragen, Interpretationen oder Ratschläge können Betroffene unter Druck setzen oder noch mehr verwirren. Stattdessen kann es helfen, gemeinsam in der Stille zu sein oder zu spiegeln, was man wahrnimmt:
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„Ich merke, dass es gerade schwer ist, Worte zu finden – das darf so sein.“
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„Es wirkt, als würdest du gerade nach Worten suchen – ich bin hier und du kannst dir Zeit nehmen.“
So entsteht ein Raum, in dem sich Gefühle langsam zeigen dürfen – in ihrem eigenen Tempo und ohne Erwartungsdruck.
Sicherheit als Schlüssel
Nach NARM kann Heilung dann beginnen, wenn sich ein Mensch sicher fühlt – in sich selbst und in Beziehung zu anderen. Gerade bei traumatisierten oder emotional stark belasteten Menschen ist es entscheidend, dass das Zuhören und Nachfragen eine stabile, verlässliche und sichere Verbindung schafft.
Fazit: Wirklich zuhören verändert Beziehung
Das Neuroaffektive Beziehungsmodell lehrt uns, dass es beim Zuhören und Nachfragen nicht primär um schnelle Lösungen oder perfekte Worte geht. Vielmehr darum, präsent und achtsam mit dem zu sein, was gerade da ist – auch wenn das zunächst keine Worte findet.
Indem wir genau das tun – offen bleiben, sanft begleiten, Raum geben – schaffen wir gemeinsam mit unseren Klient:innen einen Ort der Sicherheit und des Verständnisses, wo Worte langsam entstehen und Gefühle sich zeigen dürfen.
Und genau das macht den entscheidenden Unterschied.




